aus Schwaben setzt seit Jahren auf mehr Tierwohl durch Kombihaltung.
Jürgen Speinle bewirtschaftet zusammen mit seiner Ehefrau, einem Lehrling und den Eltern einen Hof mit ca. 110 Milchkühen, dazugehöriger Jungviehnachzucht und entsprechender land- und forstwirtschaftlicher Fläche. Daneben helfen noch die drei Töchter mit. Konsequent verfolgt er seit Jahren mit seinem Modernisierungskonzept den Weg zu besseren Tierhaltungsbedingungen.
„Unseren Milchviehbetrieb in Holzheim, einer Ortschaft mit knapp 4.000 Einwohnern in der Gemeinde im schwäbischen Landkreis Dillingen an der Donau, gibt es seit mindestens vier Generationen. So genau wissen wir das gar nicht, weil wir noch keine Ahnenforschung betrieben haben“, sagt Jürgen Speinle mit einem Augenzwinkern. „Die alte Hofstelle lag mitten in der Ortschaft. Wenn ich heute meine Trockensteher auf die 2 km entfernte Weide führe, wäre das vom alten Stall aus undenkbar, denn die Dorfstrasse ist viel zu stark befahren. Zu Zeiten der Großeltern war das noch ein Schotterweg!“
Wie damals üblich hielt man das Milchvieh im Stall an ihren Plätzen angebunden, vorne die Milchkühe, hinten das Jungvieh. Weil aber der alte Hof zu klein war und auch die Haltebedingungen nicht mehr zufriedenstellend waren, bauten die Speinles im Jahr 2000 außerhalb der Ortschaft einen zweiten Stall mit größeren Liegeboxen, Laufmöglichkeit und mehr Komfort für ihre Milchkühe. Im alten Stall ist seit der Betriebserweiterung das Jungvieh untergebracht. Im neuen Laufstall außerhalb der Ortschaft die Milchkühe.
Die Trockensteher (Kühe, die demnächst ein Kalb gebären und deshalb nicht laktieren) dürfen bei Jürgen Speinle seit einigen Jahren im Sommer auf die Weide. Die Phase, in der die Kuh trocken steht, umfasst ungefähr 50 bis 70 Tage. Insgesamt waren heuer von März bis November ungefähr 60 bis 65 Tiere seiner Herde auf der eingezäunten Weide im nahegelegenen Gelände eines durch die Tertiärzeit geprägten schroffen Landschaftsgebietes. Als Jürgen Speinle von der ganzjährigen Stallhaltung auf die Kombinationshaltung Stall und Weide umstellte, waren zwei Überlegungen ausschlaggebend: die Fläche durch Tiere beweiden zu lassen, lag nahe, zumal man die Fläche mit den modernen großen Maschinen schwer bewirtschaften kann. Außerdem konnte Speinle damit gleichzeitig für mehr Wohlbefinden bei seinen Tieren sorgen.
Wie funktionierte es mit der Umstellung? „Meine Erfahrung ist, daß eine Herde, die zwanzig Jahre im Stall stand, sich schwer tut mit dem Weidegang. Man muss die Tiere erstmal daran gewöhnen, daß sie selber das Gras abrupfen müssen, teils haben sie auch großen Bewegungsdrang und bremsen nicht rechtzeitig ab in ihren Bewegungen… anfangs war mir gar nicht wohl dabei, den Zaun mal ohne Strom zu lassen, wenn ich mal was zu reparieren hatte. Aber jetzt funktioniert es gut. Grundsätzlich ist es leichter, wenn ein Teil der Herde die Weide gewohnt ist, neue Tiere hinzuzunehmen.“
Auf der Weide finden die Kühe einen Unterstand, an dem sie einmal am Tag fixiert werden. Hier bekommen sie auch zusätzliches Kraftfutter. Diese Praxis verhindert, daß es nach der Rückkehr in den Stall Probleme gibt. Wie im Weideunterstand auch, haben sie im Stall ihren eigenen gewohnten Platz. Täglich schaut Jürgen Speinle nach seinen Tieren auf der Weide. Auch wenn es ihn mehr Zeit kostet, „seinen Weidegang“ empfindet er als Auszeit für sich - wie seine Tiere vielleicht auch.
Der Speinle-Hof gehört zu den rund 80 Betrieben der Molkerei Gropper, die die Kriterien des Deutschen Tierschutzbundes umsetzen.
In der Einstiegsstufe (ein Stern) des „Mehr Tierwohl“-Labels gelten viele übergesetzliche Regelungen, wie z.B. bei den Milchkühen mehr Platz durch eine geringere Besatzdichte, Kuhbürsten und trockene eingestreute Liegeflächen. Eingriffe am Tier, wie z.B. das Veröden der Hornanlagen bei Kälbern, dürfen nur unter Betäubung vorgenommen werden. Zudem muss auf gentechnisch verändertes Futter verzichtet werden. Die Einhaltung der Anforderungen wird mindestens zweimal jährlich mit unangekündigten Kontrollen unabhängiger Zertifizierungsstellen überprüft.
Seine Antwort auf die Frage, warum es in Bayern überhaupt noch Anbindehaltung gibt: „Meiner Ansicht nach liegt es, neben allen sonstigen bekannten Gründen, wie beengte Hofstellen, Betriebsgröße, Investitionsumfang auch am Personal. Jemand der es immer schon so gemacht hat, macht es halt heut auch noch so. Bei der jungen Generation ist die Umstellung der Haltungsform oftmals keine Frage.“
© VMB | September 2019 | Foto: Speinle